Talentnest TSV Heimaterde MH

„Es war einmal ein Lattenzaun mit Zwischenraum hindurchzuschau`n“. Frei nach diesen ersten Gedichtzeilen von Christian Morgenstern mag man hier sagen „Zum Glück hat das Netz Maschen als Zwischenraum hindurchzuschau`n“ – denn drüber schauen kann hier noch lange keiner.

Zu Gast bei der Badmintonabteilung des TSV Heimaterde im DBV-Talentnest. Hier beginnen die Allerkleinsten, teilweise noch im Kindergartenalter, ihre ersten Versuche mit dem langen Schläger, der schon deutlich kürzer ist als das reguläre Wettkampfracket, alles Mögliche zu treffen: seien es Luftballons, seien Softbälle und schon bald auch die originalen Federbälle. Carina Lange (siehe Foto), Landesligaspielerin und langjährige Talentnest-Trainerin des TSV, erklärt: „Wir beginnen hier ganz spielerisch. Einen Luftballon zu treffen, ist halt viel einfacher als den echten Federball, sieht schön aus und die Kinder haben sofort Erfolgserlebnisse. Es geht ganz viel darum, die Auge-Hand-Koordination zu trainieren. Da haben wir ein riesiges Repertoire verschiedener Spielformen, die den Kindern immer wieder Spaß machen.“ Doch heute wollen Felix, Lara, Marie und Lucy zeigen, dass sie schon wie die Großen den federleichten Ball über das Netz hin- und her schlagen können. Mit viel Geduld erklären Carina Lange und Benjamin Kölsch immer wieder die richtigen Bewegungsabläufe in kindgerechten Formulierungen. Das Kommando „Tiger“ meint hier eine sprungbereite, voll fokussierte Grundposition, in der auf den nächsten zugeworfenen Ball gelauert wird. Kommt dieser kurz hinter das Netz, wissen die Kinder, jetzt folgt der „Adler“ – die eine Schwinge mit dem Schläger geht geöffnet dem Ball entgegen, der entsprechende Fuß wird nach vorne gesetzt, die andere Schwinge macht die korrekte Gegenbewegung, damit der Adler im Flug nicht abstürzt. So manche Bewegung der ganz Großen wird hier im Kleinen plötzlich nachvollziehbar und ist schon deutlich zu erkennen. Kölsch erläutert „Wir legen viel Wert auf kleine, persönliche Trainingsgruppen, damit wir die Kinder individuell fördern können und keiner sich verloren fühlen muss. Dadurch haben wir natürlich auch eine bessere Möglichkeit, die Technik sehr präzise zu vermitteln. Allerdings ist uns auch eine allgemeine motorische Grundausbildung sehr wichtig. Die Kinder laufen, springen, werfen, spielen, toben…“

Erst vor fünf Jahren begannen Benjamin Kölsch als Projektleiter und Christian Schröder als Abteilungsvorsitzender den nahezu brach liegenden Jugendbereich der Badmintonabteilung des TSV Heimaterde wieder zu beleben und das von Kölsch entwickelte Konzept „Heimaterde auf der Überholspur“ nach und nach umzusetzen und immer weiter voranzutreiben. Mittlerweile trainieren über 70 Kinder und Jugendliche in den Altersklassen bis U 15 an sieben Tagen der Woche erfolgreich bei zwölf Trainerinnen und Trainern, darunter die Schweizer Nationalspielerin Nicole Ankli, die ehemalige niederländische Nationalspielerin Judith Meulendijks sowie die deutsche Nationalspielerin Johanna Goliszewski.

Das Konzept zur gezielten Talentsichtung und Talentförderung im Badmintonsport entwickelte Benjamin Kölsch im Rahmen seines freiwilligen sozialen Jahres beim Badminton-Landesverband NRW selbst und es erweist sich als zunehmend erfolgreich. In der aktuellen Saison trainieren acht gesichtete Kinder des TSV Heimaterde zusätzlich im U 11 – Stützpunkt Mülheim unter der Leitung von Bundestrainer Dirk Nötzel. Auf weitere neun noch jüngere Kinder ist der Bundestrainer ebenfalls schon aufmerksam geworden; sie trainieren zusätzlich in den Talentfördergruppen bei ihm am Stützpunkt.

DBV-Talentscout Kölsch betont: „Natürlich geht es auch hier bei uns um Leistungssport, doch wir wollen auf keinen Fall aus den Augen verlieren, dass die Kinder Kinder sind und als solche ganz spezielle Bedürfnisse haben, auf die wir auch weiterhin individuell schauen werden. Eine Maschinerie, die das einzelne Kind nur noch für das Leistungsziel missbraucht, lehnen wir strikt ab.“ Und dass die Kinder mit viel Spaß bei der Sache sind, wird in der Halle jedem Beobachter sehr schnell deutlich.

Dass das Konzept auch beim Deutschen Badminton Verband auf vollen Zuspruch stößt, zeigte sich sehr schnell, als der TSV Heimaterde bereits zwei Jahre nach Projektbeginn 2011 die Anerkennung als „DBV-Talentnest“ erhielt. Diese Auszeichnung ist bundesweit nur ganz wenigen Vereinen zuteil geworden. „Ich denke, darauf können wir wirklich stolz sein.“, bemerkt Christian Schröder, während Benjamin Kölsch sich schon wieder den Kindern zugewandt hat, die inzwischen begeistert frei auf den Feldern spielen und nach der Verwandlung in Tiger und Adler jetzt um jeden Punkt kämpfen wie die Löwen.